
Tagebuch schreiben? Da tauchen in meinem Kopf Bilder auf von hübschen Büchlein mit Umhängeschlösschen. Von Teenagern mit dem ersten Liebeskummer. Aber auch von guten Vorsätzen, die bereits nach den ersten paar Tagen ins Stocken geraten. Das Buch liegt verloren neben dem Nachttischchen und die guten Pläne verstauben langsam, aber stetig.
Tagebücher sind eine gute Sache. Auch für Menschen, die den ersten Liebeskummer erfolgreich bewältigt haben. Das Leben bietet immer wieder Situationen, die sich schreibend aufarbeiten und bearbeiten lassen. Das Papier ist zulassend, nicht bewertend, gibt Raum - auch für schamvolle Ecken unseres Daseins. Man kann sich selbst entdecken, reflektieren, Abstand gewinnen. Alles Dinge, die helfen, mit schwierigen Situationen und belastenden Gefühlen klarzukommen. Schreibend Erlebtes verarbeiten und aufbewahren, Sorgen einordnen, Träume notieren, Entwicklungen dokumentieren, das Leben in geschriebene Geschichten verweben... Was für eine grenzenlose Freiheit sich hier auftut. Man könnte sich fast verlieren in den vielen Möglichkeiten.
Die persönliche Schreibpraxis hat in der Geschichte der Menschheit viele Anhänger:innen gefunden. Als Tagebuchschreibende:r befindet man sich in einem illustren Kreis Gleichgesinnter. Eben ist von Hansjörg Schneider, dem Basler Krimiautor, das Buch „Spatzen am Brunnen“ erschienen. Darin finden sich Auszüge aus seinem Tagebuch. Bekannt sind die Tagebücher von Max Frisch. Auch Tolstoi, Goethe, Curt Cobain, C.G. Jung oder Franz Kafka und Frida Kahlo waren Tagebuchschreibende. Bei vielen blieb es nicht nur beim Schreiben: Malen, kleben, fotografieren, skizzieren sind weitere Möglichkeiten, sich mit der eigenen Geschichte zu beschäftigen.
Das Tagebuch kann alles sein. Ein Heft, ein Buch oder eine Datei im Computer. Privat oder öffentlich als Blog, selbst Instagram wird manchmal tagebuchartig genutzt – der Möglichkeiten sind vieler und es gibt nicht DIE richtige Form. Einzig die persönliche Vorliebe ist massgebend. Allen gemeinsam bleibt wohl der Versuch, sich und die Welt zu verstehen und einzuordnen.
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