Endlich Ferien. Endlich kein Pflichtprogramm. Endlich Zeit für das vor Wochen gekaufte Buch. Oder die angefangene Hose, die bereits zugeschnitten ist und nur noch genäht werden müsste. Eigentlich der beste Teil an der ganzen Arbeit. Stattdessen legt sich eine bleierne Müdigkeit über alles. Die Augen fallen im Sitzen zu, dösen und rumgammeln wird zum zweiten und dritten Vornamen.
Tagesmüdigkeit ist ein Phänomen mit vielen möglichen Ursachen. Sind zu wenig (oder zu viel!) Schlaf, verschobener Schlafrhythmus oder Jetlag, Schlafapnoe, Diabetes, Bluthochdruck und Mangelerscheinungen ausgeschlossen, wird es psychologischer. AD(H)S ist bekannt dafür, dass es mit verschiedensten Symptomen einhergeht. Antriebslosigkeit und Müdigkeit sind - neben den Hauptsymptomen Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität - typische AD(H)S - Nebensymptome. Auch Prokrastination ist ein Nebensymptom. Sie ist oft der Impulsivität geschuldet. Lieber nichts tun als etwas, dass Anstrengung erfordert. Lieber sich mit etwas anderem, einfacherem ablenken. Surfen am Handy, telefonieren mit der Freundin, zum Kühlschrank wandern und naschen...
Das Frontalhirn macht da wohl einmal mehr einen Strich durch die Rechnung. Das führt zu wiederkehrenden Frustrationen. Man kämpft mit sich, weil die persönlichen Projekte nicht vom Fleck kommen. Man nimmt es sich vor, würde so gerne und schafft es dann doch wieder nicht oder bleibt auf halber Strecke stehen. Natürlich gibt es die üblichen Empfehlungen wie Yoga, Meditation, Sport, regelmässige Schlafzeiten ("auch am Wochenende imfall!") und ausgewogene Mahlzeiten. Doch das einzuhalten ist bereits Teil des Problems und klingt in den Ohren von AD(H)S-Betroffenen mehr zynisch denn hilfreich. Die Müdigkeit ist Teil der Störung. Es liegt nicht an fehlendem Willen oder gar Faulheit! Auch wenn es von den Betroffene selbst und den Menschen im Umfeld oft nicht geglaubt wird. Das heisst, es wird auch künftig anstrengend bleiben. Wer sich dafür verurteilt, tut sich nichts Gutes. Hilfreicher ist es, eine gnädigere Haltung einzunehmen und sich zu fragen, wie man daran weiterarbeitet, ohne die Geduld zu verlieren.
Ein paar Tricks, die manchmal helfen:
- Musik kann sehr anregend sein. Die Küche räumt sich beschwingter auf mit gutem Sound. Auch die Bügelwäsche erledigt sich leichter, wenn man sich dazu einen spannenden Podcast aussuchen und beim Bügeln anhören darf.
- Aufgaben in kleinere Stücke aufteilen ist oftmals eine gute Idee. Auch Listen können hilfreich sein, wenn man sie priorisiert und nur den ersten Punkt in Angriff nimmt (und nicht nur Listen schreibt, um sie dann stapelweise auf dem Schreibtisch oder gar in der ganzen Wohnung zu verteilen).
- Entscheidungen treffen ist hilfreich. Überlegen, wie man die nächsten vier Stunden verbringen möchte. Lieber das Projekt anpacken oder doch weiter Tagträumen?
- Planen ist grundsätzlich nie falsch. Menschen mit einer Unaufmerksamkeitsstörung sind zwar sprunghaft, aber sie brauchen meist eine Vorlaufzeit, um sich auf das Nächste einstellen zu können. Von jetzt auf sofort das Zimmer aufräumen wird selten funktionieren.
- Überlegen, welche Tageszeit sich gut für welche Aktivitäten eignet. Wann passt welche Aktivität? Den Samstagseinkauf erledigen und im Anschluss die Wäsche bügeln zu wollen, führt vermutlich gleich in die nächste Müdigkeitsattacke.
- ADHS-Betroffene benötigen in der Regel mehr Schlaf als andere. Sie gehen aber meist zu spät ins Bett, weil sie den Weg dahin nicht finden (siehe dazu Linkliste).
- Rituale etablieren (gleich neben Eingangstür Ort festlegen, wo der Schlüssel immer hingelegt wird)
- Arbeitsabläufe vereinfachen (Ordner mit Bankunterlagen in Griffweite des Schreibtisches lagern, Steuerunterlagen in einer Schublade/Schachtel/Ablagefach sammeln, Wäschebehälter dort hinstellen, wo man sich abends auszieht)
- Ist die Müdigkeit unüberwindbar, sich einen Powernap gönnen. Vorher überlegen, was man nachher in Angriff nehmen möchte. Dann den Wecker stellen und auf dem Sessel (nicht im Bett!) 15 bis max. 30 Min. dösen. Diese halbe Stunde ist oftmals besser investiert, anstatt sich vier Stunden zu quälen und am Schluss weder erholt zu sein noch irgendwas in Angriff genommen zu haben.
- Pausen fürs Nichtstun einplanen. Sie sind wichtig, um die vielen Eindrücke zu verarbeiten. Besser tagsüber Zeit dafür reservieren als nachts wachliegen, weil der Kopf im Kreis hüpft.
Weiterführende Links:
Prokrastination bei ADHS
https://www.adxs.org/de/page/46/prokrastination-aufschieberitis-bei-adhs
Revenge bedtime Procrastination
Test für Tagesmüdigkeit:
Fatigue Severity Scale (FSS) und Epiness Sleepinesss Sclae (ESS)
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